Stop TTIP, CETA & Co
Ruderting Die Freihandelsabkommen würden von Politikern als alternativlos und große heilbringende Vision für die Wirtschaft verkauft, sagte Organisator Johannes Schmidt, Vorsitzender der KLB Passau. Viele Bürger und Experten befürchteten jedoch ein Aushöhlen der Demokratie, einen Verlust von sozialen Errungenschaften sowie von Verbraucherschutzstandards. Von Chlorhühnchen und Hormonfleisch aus den USA sei die Rede, von privaten Schiedsgerichten und Vorprüfungen von Gesetzesvorhaben. Manche sprechen bereits von einem "Ermächtigungsgesetz" für die Finanzwirtschaft. Sie befürchteten, dass Steuerzahler, mittelständische Betriebe, Landwirte, Handwerker und Kommunen die Zeche zahlen. Urteile von Schiedsgerichten lägen bereits vor. So sei der Staat Ecuador zu einer Strafzahlung von 1,1 Milliarden Dollar an einen US-Öl-Konzern verurteilt worden. Schmidt fragte, ob dies auch Deutschland drohe.
Wolfgang Kessler, der nach seinem Wirtschaftsstudium fünf Jahre beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitete und sich dann mit einem Pressebüro selbstständig machte, verteufelte den freien Handel keineswegs. Im 19. Jahrhundert oder nach dem Zweiten Weltkrieg habe der Wegfall der Zölle für ein rasantes Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gesorgt. Doch das von US-Präsident Barack Obama propagierte und auch von Kanzlerin Angela Merkel gewünschte Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU habe einen anderen Zweck. Denn: Die Zölle seien bereits niedrig, der Handel jetzt schon dynamisch. Die Prognosen für zusätzliche Arbeitsplätze schwankten von 26000 bis 180000 Jobs. Der Effekt für die Wirtschaft sei also klein.
Noch mehr Massenproduktion und Rationalisierung kosteten sogar Arbeitsplätze. Dennoch lohnt sich der Aufwand von mehrjährigen Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene hinter verschlossenen Türen. Kesslers Recherchen in Brüssel ergaben, dass die USA und die Lobby der global operierenden Konzerne mit TTIP vor allem die Beseitigung nicht-tarifärer Hemmnisse für Handel und Investitionen wollen, zum Beispiel der Regeln für die Finanzmärkte, der Gesetze und Auflagen zum Schutz von Arbeitnehmern, Gesundheit, Klima und Umwelt. Politiker und Konzerne sagten dies nicht offen, sondern versteckten ihre Interessen hinter wohlklingenden Begriffen wie Harmonisierung, Rechtssicherheit, Wahlfreiheit und Liberalisierung.
Laut Kessler lauern hier aber Gefahren. Die "Harmonisierung" von Vorschriften könne dazu missbraucht werden, den Schutz der Verbraucher zu untergraben, da es in den Bereichen Gesundheit und Umwelt unterschiedliche Kulturen gebe. Während Europa dem Vorsorgeprinzip folgt, muss in den USA nachgewiesen werden, dass Stoffe oder Verfahren schaden, zum Beispiel hormonbehandeltes Fleisch oder gentechnisch veränderte Produkte. Landwirtschaftliche Erzeugnisse würden in Chlor gebadet, was in Europa verboten ist. Folge könne sein, dass man sich auf einen Kompromiss einigt und jede Seite die Standards des anderen anerkennt. Die Amerikaner könnten dann ihre Produkte ohne Hindernisse in Europa verkaufen und umgekehrt.
Dies verschärfe die Konkurrenz, die Standards würden sinken, da die Amerikaner gegen die Kennzeichnungspflicht sind. Während es hier Chlorhühnchen gebe, erhielten die USA die laschen europäischen Auflagen für Tabakkonzerne und schnelle Zulassungsverfahren bei Medikamenten.
Der Begriff Rechtssicherheit stehe für mehr Macht der Konzerne über die Politik, so Kessler. Sie wollten Staaten vor unabhängigen Streitschlichtungskammern verklagen können, wenn deren Politik Gewinneinbußen bringt, zum Beispiel bei Arbeitsschutzregeln oder Gesundheitsgesetzen. Die Unternehmen wollten auch die Regulierung im Finanzsystem zurückdrängen, die Finanztransaktionssteuer, den Datenschutz lockern, scharfen Umweltgesetzen vorbeugen.
Zugleich werde parallel zu TTIP im Rahmen von TISA über die Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen verhandelt, ebenfalls hinter verschlossenen Türen. Erschwerend sei, dass auch die Einführung eines Regulatorischen Rats angestrebt wird mit dem Ziel, Gesetze im Vorhinein zu prüfen, ob sie der Wirtschaft taugen. "Das wäre dann wirklich die ‚marktkonforme Demokratie‘, die sich Angela Merkel wünscht", sagte Kessler. Die Verhandlungen seien nicht allen verschlossen. Vertreter von 600 Konzernen und Investoren genössen exklusiven Zugang. Kessler sieht TTIP als neoliberale Wachstumsoffensive von Wirtschaft und Politik, als neuen Versuch, weltweit einen unregulierten Kapitalismus durchzusetzen. Der Widerstand der Bevölkerung sei verständlich.
Ruderting. Was hinter dem Freihandelsabkommen steckt, hat Dr. Wolfgang Kessler, Wirtschaftswissenschaftler und Chefredakteur der kirchlichen Wochenzeitung "Publik-Forum", in einem eindrucksvollen Vortrag unter dem Titel "CETA, TTIP, TISA – die Folgen und die Alternative" im Landgasthof "Zum Müller" in Ruderting aufgezeigt. Statt freiem Handel forderte er vor rund 140 Besuchern, darunter der Passauer Bürgermeister Urban Mangold und zweiter Bürgermeister Johann Streifinger aus Ruderting, ein internationales Abkommen für fairen Handel. Eingeladen hatten die Katholische Landvolk-Bewegung (KLB) im Landkreis Passau, die Katholische Erwachsenenbildung in Stadt und Landkreis Passau und der BürgerEnergieStammtisch Sittenberg.
Die Freihandelsabkommen würden von Politikern als alternativlos und große heilbringende Vision für die Wirtschaft verkauft, sagte Organisator Johannes Schmidt, Vorsitzender der KLB Passau. Viele Bürger und Experten befürchteten jedoch ein Aushöhlen der Demokratie, einen Verlust von sozialen Errungenschaften sowie von Verbraucherschutzstandards. Von Chlorhühnchen und Hormonfleisch aus den USA sei die Rede, von privaten Schiedsgerichten und Vorprüfungen von Gesetzesvorhaben. Manche sprechen bereits von einem "Ermächtigungsgesetz" für die Finanzwirtschaft. Sie befürchteten, dass Steuerzahler, mittelständische Betriebe, Landwirte, Handwerker und Kommunen die Zeche zahlen. Urteile von Schiedsgerichten lägen bereits vor. So sei der Staat Ecuador zu einer Strafzahlung von 1,1 Milliarden Dollar an einen US-Öl-Konzern verurteilt worden. Schmidt fragte, ob dies auch Deutschland drohe.
Wolfgang Kessler, der nach seinem Wirtschaftsstudium fünf Jahre beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitete und sich dann mit einem Pressebüro selbstständig machte, verteufelte den freien Handel keineswegs. Im 19. Jahrhundert oder nach dem Zweiten Weltkrieg habe der Wegfall der Zölle für ein rasantes Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gesorgt. Doch das von US-Präsident Barack Obama propagierte und auch von Kanzlerin Angela Merkel gewünschte Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU habe einen anderen Zweck. Denn: Die Zölle seien bereits niedrig, der Handel jetzt schon dynamisch. Die Prognosen für zusätzliche Arbeitsplätze schwankten von 26000 bis 180000 Jobs. Der Effekt für die Wirtschaft sei also klein.
Noch mehr Massenproduktion und Rationalisierung kosteten sogar Arbeitsplätze. Dennoch lohnt sich der Aufwand von mehrjährigen Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene hinter verschlossenen Türen. Kesslers Recherchen in Brüssel ergaben, dass die USA und die Lobby der global operierenden Konzerne mit TTIP vor allem die Beseitigung nicht-tarifärer Hemmnisse für Handel und Investitionen wollen, zum Beispiel der Regeln für die Finanzmärkte, der Gesetze und Auflagen zum Schutz von Arbeitnehmern, Gesundheit, Klima und Umwelt. Politiker und Konzerne sagten dies nicht offen, sondern versteckten ihre Interessen hinter wohlklingenden Begriffen wie Harmonisierung, Rechtssicherheit, Wahlfreiheit und Liberalisierung.
Laut Kessler lauern hier aber Gefahren. Die "Harmonisierung" von Vorschriften könne dazu missbraucht werden, den Schutz der Verbraucher zu untergraben, da es in den Bereichen Gesundheit und Umwelt unterschiedliche Kulturen gebe. Während Europa dem Vorsorgeprinzip folgt, muss in den USA nachgewiesen werden, dass Stoffe oder Verfahren schaden, zum Beispiel hormonbehandeltes Fleisch oder gentechnisch veränderte Produkte. Landwirtschaftliche Erzeugnisse würden in Chlor gebadet, was in Europa verboten ist. Folge könne sein, dass man sich auf einen Kompromiss einigt und jede Seite die Standards des anderen anerkennt. Die Amerikaner könnten dann ihre Produkte ohne Hindernisse in Europa verkaufen und umgekehrt.
Dies verschärfe die Konkurrenz, die Standards würden sinken, da die Amerikaner gegen die Kennzeichnungspflicht sind. Während es hier Chlorhühnchen gebe, erhielten die USA die laschen europäischen Auflagen für Tabakkonzerne und schnelle Zulassungsverfahren bei Medikamenten.
Der Begriff Rechtssicherheit stehe für mehr Macht der Konzerne über die Politik, so Kessler. Sie wollten Staaten vor unabhängigen Streitschlichtungskammern verklagen können, wenn deren Politik Gewinneinbußen bringt, zum Beispiel bei Arbeitsschutzregeln oder Gesundheitsgesetzen. Die Unternehmen wollten auch die Regulierung im Finanzsystem zurückdrängen, die Finanztransaktionssteuer, den Datenschutz lockern, scharfen Umweltgesetzen vorbeugen.
Zugleich werde parallel zu TTIP im Rahmen von TISA über die Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen verhandelt, ebenfalls hinter verschlossenen Türen. Erschwerend sei, dass auch die Einführung eines Regulatorischen Rats angestrebt wird mit dem Ziel, Gesetze im Vorhinein zu prüfen, ob sie der Wirtschaft taugen. "Das wäre dann wirklich die ‚marktkonforme Demokratie‘, die sich Angela Merkel wünscht", sagte Kessler. Die Verhandlungen seien nicht allen verschlossen. Vertreter von 600 Konzernen und Investoren genössen exklusiven Zugang. Kessler sieht TTIP als neoliberale Wachstumsoffensive von Wirtschaft und Politik, als neuen Versuch, weltweit einen unregulierten Kapitalismus durchzusetzen. Der Widerstand der Bevölkerung sei verständlich.
Herzlichen Dank an Theresa Wildfeuer für die Erlaubnis, ihren Artikel hier veröffentlichen zu dürfen.
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